apple watch series 2 - Verpackung

Apple Watch Series 2 im Test für Mountainbiker – Wieviel weniger ist mehr?

Designgurus und Typo-Päpste postulieren seit Anbeginn der Zeit ihr Paradigma „Weniger ist mehr“. Für uns stellt sich die Frage: Wieviel weniger ist mehr? Zugegeben – wir sind echte Apple-Fan-Boys. Design, Haptik, Usability usw. sind über jeden Zweifel erhaben. Leider wird die Zuverlässigkeit an vielen Stellen durch eine extrem starke Gängelung des Users erreicht. Mit der Apple Watch Series 2 hat Apple ein neues Rennpferd auf die Piste geschickt. Während die erste Version für Sportfreaks aufgrund des mangelnden GPS-Moduls schlicht und ergreifend Schrott war, schickt sich die Apple Watch Series 2 an, eine treue Begleiterin in allen Sportlebenslagen zu werden.

Apple Watch Series 2 – Wie kam es zur Apple Watch?

Apple ist bekannt dafür, Dinge einfach weg zu lassen. Das führt oft zu kontroversen Diskussionen. Als erstes verschwanden die Diskettenlaufwerke, dann die Schnittstellen und vor allem: Viel Gewicht verschwand. Ohne das Macbook Air wären viele Notebooks heute noch schwarze, schwere Klötze. Die Tasten verschwanden: Das iPhone machte es möglich. Kassette, Schallplatte und CD verschwanden: Danke an iPod und iTunes. Der neuste Clou: Die Kabel der Kopfhörer verschwinden! Mit den AirPods hat Apple die Kabel am Köpfhörer endgültig für tot erklärt. Wer mit den AirPods ein Training absolviert hat, hat keine Chance mehr zu einem kabelgebundenen Kopfhörer zurück zu kehren. Kein Neckstrip, keine Geräuschübertragung über das Kabel. Einfach nur Musik. Kein Herausfallen, kein Nachjustieren im Ohr. Genau diese AirPods brachten den Stein ins rollen: Kann man auf Pulsuhr, Brustgurt, MP3-Player und sonstiges Equipment verzichten?

Ein ungeahntes Gefühl von Freiheit – Apple Watch Series 2 und AirPods

Musik ohne Kabel – Diese Offenbarung brachte uns auf die Idee, doch die Apple Watch zu kaufen. Für echte Männer ist die Uhr eine mittlere bis große Katastrophe. Als echte Machos benötigen wir natürlich eine echte Männeruhr am Handgelenk. Also mindestens Kaliber 47 mit kantigem Design. Davon ist die Apple Watch meilenweit entfernt. Klein und unauffällig versteckt sie sich schamhaft am Handgelenk. Keine Spur von protzigem Machogehabe. Hierfür 0-Punkte. Sie ist schön und absolut perfekt verarbeitet – für unseren Geschmack zu sehr Understatement. Echte Männer brauchen mindestens vier Tasten und eine monsterhafte Lünette, die das Ziffernblatt einrahmt.

Einfache Einrichtung und kinderleichte Bedienung – Das ist die Apple Watch Series 2

Nach dem ersten Einschalten zeigt die Apple Watch ein spezielles Muster. Dieses wird einfach mit der auf jedem iPhone installierten Watch-Software abgefilmt und schon sind iPhone und Apple Watch miteinander verbunden. Gleichzeitig werden die Profile für die Nutzung der Bluetooth Kopfhörer installiert. Die AirPods stehen sofort zur Verfügung. Der Weg für kabelfreien Musikspaß beim Sport ist geebnet. Es kann losgehen, oder? Apple liefert eine Aktivitäts-App für Uhr und Telefon mit. Allerdings ist das bestenfalls für absolute Einsteiger ausreichend. Zu wenig Möglichkeiten. Die mitgelieferte Trainings-App bietet einige voreingestellte Sportarten. Rad indoor und outdoor, Laufen indoor und outdoor, Gehen, Crosstrainer, Rudergerät, Stepper, Schwimmen Becken und Freiwasser und eine Sonstiges-Option sind vorhanden. Für eine Krafteinheit oder ein funktionelles Training wählt man die Sonstiges Variante. Beim Speichern kann das Workout weiter spezifiziert werden.

Sparsame Funktionsvielfalt – Apple Watch: Die kastrierte Smartwatch!

In der Workout-App können verschiedene Ziele definiert werden. Ein zeitgesteuertes Workout oder eine zu erreichende Kalorienanzahl bestimmen die Dauer des Workouts. Wer einfach drauf los trainieren möchte, kann ein offenes Workout ohne Zielvorgabe starten. An dieser Stelle wurde unsere Euphorie bereits stark gebremst. Es sind keine Pulsvorgaben möglich. Nicht einmal die Einstellung einer Herzfrequenzzone ist möglich. Hier entscheidet Apple wohl, was für uns gesund ist. Für eine professionelle Trainingssteuerung eigentlich ein „Must Have“. Neben der fehlenden Möglichkeit, Zielzonen für die Herzfrequenz festzulegen, sind die Möglichkeiten, das Display zu konfigurieren ebenfalls eher eingeschränkt. Als langjährige Garmin-User enttäuscht Apple an dieser Stelle wieder. Es kann ausgewählt werden, was angezeigt wird, aber nicht wie. Aus den Messwerten Dauer, Aktuelles Tempo, Herzfrequenz, Strecke, Durchschnittstempo, Aktivitätskalorien und Gesamtkalorien lässt sich das Display mit Leben füllen. Auf die Darstellung und Positionierung hat der User keinen Einfluss. Von sieben Werten lassen sich jeweils fünf abbilden. Auf eine Möglichkeit, wie bei den Garmin Modellen, mehrere Screens mit unterschiedlichen Werten zu definieren, muss der Apple Watch User verzichten.

Durchgängig einfach zu bedienen – Ein echter Pluspunkt für die Apple Watch

Nachdem man sich für ein Workout entschieden hat, wird das Training gestartet. Der Timer läuft, es geht los. Leider wird man nicht über den Status des GPS-Empfangs informiert. Während unseres Tests hat die Uhr immer zuverlässig aufgezeichnet. Da die Apple Watch über ein berührungsempfindliches Touchdisplay verfügt kommt sie mit nur zwei Knöpfen aus. Wer seine Rundenzeiten stoppen möchte, tippt einfach doppelt auf das Display. Fertig. Ein fester Druck auf die Mattscheibe bringt das Menu zum Beenden der Trainingseinheit nach vorne. Mit einem Wischer passiert das gleiche. Ein Druck auf die digitale Krone und die Trainings-App verschwindet im Hintergrund. Dann kann zum Beispiel die Musik-App gestartet werden, um seinen Lieblingstrack wieder zu geben. Ein doppelter Klick mit der Krone bringt den User zurück in die davor benutzte App. Das Konzept hat uns gut gefallen. Die Aufzeichnung des Trainings läuft im Hintergrund weiter. Mit der Seitentaste lässt sich ein Taskmanager/Dock aufrufen, der die geöffneten Apps anzeigt. Das Display geht völlig in Ordnung. Bei direkter Sonneneinstrahlung ist es jedoch wesentlich schlechter abzulesen als das konventioneller Trainingsuhren. Auf Dauer nervig ist die Stromsparfunktion. Das Display wird erst beim Anheben des Arms aktiviert. Das klappt perfekt, bringt aber eine kleine Verzögerung mit sich. Im Training, ganz besonders beim Lauftraining, nervt das ungemein. Außerhalb einer sportlichen Betätigung spielt die Verzögerung keine Rolle

Rudimentäre Trainingsauswertung mit der Apple Watch

Als Schaltzentrale für die Auswertung des Trainings hat Apple Health und die Trainings-App auserkoren. Beide Applikation sind ausschließlich auf dem iPhone zu finden. Da Apple sich dafür entschieden hat, keine Gesundheitsdaten in der Cloud zu speichern, ist das ein echtes Manko. Für Einsteiger sicherlich einfach und nett, doch für Profis bleiben einfach zu viele Aspekte unberücksichtigt. Eine zentrale Darstellung der Durchschnittswerte von Puls und Geschwindigkeit ist zwar vorhanden, will man tiefergehende Analysen durchführen, müssen Programme von Drittanbietern bemüht werden. Genau hier beißt sich die Katze ein weiteres Mal in den Schwanz. Da die Healthdaten von Apple für schützenswert angesehen werden, gibt es keine direkte Möglichkeit die Trainingseinheiten zu exportieren. Wir werten seit Jahren unsere Einheiten mit Rubitrack aus. Ohne Programme von Drittherstellern hat man keine Chance, die Daten der Apple Watch sichtbar zu machen. Leider wird genau das zum Problem. Es gibt eine Vielzahl von Programmen die alle gut sind. Doch ein Programm für alles fehlt. So muss man auf der Apple Watch und auf dem Telefon mit mehreren Programmen hantieren um die Daten anschließend am Rechner betrachten und bearbeiten zu können. Viele Apps arbeiten hier mit ihren eigenen Cloud-Diensten. Überall müssen irgendwelche Konten angelegt werden. An der Stelle finden wir den Ansatz von Garmin wesentlich besser. Garmin-Connect sammelt alles Workouts unabhängig von ihrer Art zentral an einer Stelle. Die Uhr kann mit unzähligen Programmen verbunden werden um die Trainingsdaten zu analysieren.

Export von Trainingsdaten im TCX Format der Apple Watch

Als Quasi-Standard hat sich beim Austausch von Trainingsdaten das TCX-Format etabliert. Unzählige Apps und Portale unterstützen diesen Standard (alle außer Apple). Wer also mit der Apple Watch Series 2 ernsthaft trainieren möchte, benötigt eine entsprechende App auf der Uhr und auf dem iPhone. Für alle Outdooraktivitäten haben wir uns für Trails entschieden. Die kostenfreie Variante speichert bis zu 5 Trainingseinheiten und exportiert diese als TCX-File. Der Export kann direkt in die iCloud erfolgen. So können die Daten ohne Umwege direkt in die Analyse-Software importiert werden. Trails exportiert sowohl die Herzfrequenz, wie auch die GPS-Daten. Das funktioniert perfekt. Die Anzeige von Trails lässt sich nicht konfigurieren. Man muss sich immer wieder, durch unzählige Screens auf der Apple Watch scrollen, bis die gewünschten Werte angezeigt werden. Das ist ein echtes No-Go. Bei uns kam es auch zu Problemen in der Darstellung der mit Trails aufgezeichneten Daten in der Health und Aktivitäts-App von Apple. Hier fehlten in der Detaildarstellung Daten, die in der Übersicht angezeigt wurden. Auf einer zweiten Apple Watch mit anderem Telefon funktionierte genau das reibungslos (alle Einstellungen waren identisch). Um HF-Daten aus der Apple Trainings-App zu exportieren können wir Heart Graph empfehlen. Die Software kann auch auf alle anderen Trainingsdaten in der Health App zugreifen und diese auswerten und als TCX-File exportieren. Bei Heart Graph fehlen dann allerdings wieder die GPS-Daten.

GPS-Navigation ist ohne iPhone mit der Apple Watch Series 2 nicht möglich

Wer die Apple Watch ohne Telefon zur Routennavigation verwenden will, wird ebenfalls enttäuscht. Während bei vielen Garmin-Modellen Tracks in die Uhr kopiert werden können, besteht bei der Apple Watch keine Möglichkeit dazu. In Verbindung mit dem iPhone lässt sich das lösen. Allerdings kann dann das iPhone mit dem großen Display an den Lenker geschraubt werden und man muss sich nicht mit dem kleinen Display der Uhr zufrieden geben. Da das iPhone als einziger Zuspieler für die Uhr gedacht ist, hat Apple die gesamte Verwaltung der Uhr hierhin verlegt. Musik gelangt nicht direkt via iTunes auf den Handgelenksschmeichler. Es gilt den Umweg über das Smartphone einzuhalten. In der iPhone-App der Apple Watch kann eine Playlist zur Synchronisation ausgewählt bzw. erstellt werden. Wohlgemerkt eine einzelne Playlist. Mehr nicht! Wer mehrere Alben auf die Uhr packen möchte (bis 2 GB sind möglich), muss die gewünschten Titel in eine zusammengestellte Playliste packen. Wenn die Uhr geladen wird, wird die Playlist übertragen. Das finden wir unnötig aufwändig. Auf der Apple Watch lässt sich dann die Quelle der Titel wählen. Wird das iPhone gewählt, ist die Uhr im Prinzip nur eine Fernsteuerung.

Wichtige Funktionen fehlen – Die Apple Watch nichts Halbes, nichts Ganzes

Während die Hardware, Verarbeitung und Bedienkonzept durchaus zu überzeugen wissen, fällt die Software steil ab. Mit der Workout-App kommen höchstens rudimentäre Werkzeuge zur Trainingssteuerung ans Handgelenk. Trails erweitert die Funktionalität hier schon deutlich. Bei der Auswertung leisten sich alle grobe Patzer. Wo ist die Vol2max-Berechnung? Wo ist die Berechnung der Trainingsbelastung? Keine Möglichkeit, Herzfrequenzzonen und Alarme einzurichten. Kein virtueller Partner bzw. Gegner. Kein Erholungsratgeber, kein Intervalltraining. Keine Möglichkeit Trainingseinheiten direkt zu vergleichen. Die Nike Running-App, die von Apple gefeatured wird, ist nett gestaltet und zeigt auch eine Übersicht der gelaufenen Strecke. Aber auch hier fehlen Funktionen wie: Track nochmal laufen, individualisierte Einstellung der Darstellung, Intervalle nach Zeit definieren, Intervalle nach Entfernung definieren. Die Nike-Running-App des iPhones bietet zusätzliche Funktionen. Sie kann aber letztendlich auch nicht überzeugen. Sicherlich kann man vorgefertigte Pläne herunterladen. Diese korrelieren jedoch nicht mit dem aktuellen Trainingszustand. Die Herzfrequenzanalyse bleibt außen vor. Die App degradiert sich zum elektronischen „Papierplan“. Analog zu den Läufern verhält es sich bei den Bikern.

Fazit: Die Smartwatchfunktionen der Apple Watch Series 2 sind überragend. Hier merkt man die Herkunft von Apple: Entertainment pur. Als Trainingsuhr für Mountainbiker taugt die Apple Watch allerdings nur bedingt. Zwischen den Funktionalitäten der Garmin-/ Polar-Uhren und der Apple Watch liegen Welten. Ebenso bei der Auswertung der Trainingseinheiten. Selbst die originale Software von Garmin oder Polar ist haushoch überlegen. Die Möglichkeiten von Garmin gegen virtuelle Partner anzutreten, verschiedene Trainingsvarianten einzurichten (Intervalle, Ausdauer, etc.) können auf ganzer Linie überzeugen. Die Kartenfunktion bei den Fenix-Modellen ist durchaus nutzbar. Hier schaut die Apple Watch ohne iPhone als Zuspieler nur dumm aus der Wäsche. Die Hardware der Apple Watch kann überzeugen. Perfekte Verarbeitung und sehr hochwertige Haptik. Allerdings gibt es gerade bei der Software zu viele Unstimmigkeiten. Wer auf den kabellosen Musikgenuss verzichten kann, sollte bei seiner Garmin oder Polaruhr bleiben. Vieles lässt sich über Apps auf der Apple Watch lösen. Es fühlt sich jedoch nie „rund“ an. Mit der original Apple Software bleibt die Uhr weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Mit einer GPS Laufzeit von 5-6 Stunden eignet sich die Uhr eher für kurze Ausflüge. Für Gelegenheitssportler ist die Uhr ein echter Gewinn. Bei leistungsorientiertem Training wird es allerdings schwierig.