Mtb-extreme wäre nicht extreme, wenn wir nicht auch gelegentlich über den Tellerrand schauen. Es gibt neben dem Mountainbike durchaus andere Sportgeräte, die man sich anschauen muss. Natürlich sollten zwei Räder unbedingt sein. So auch bei unserem Ausflug in die motorisierte Zweiradwelt. Motorräder bauen können viele Hersteller. Gute Motorräder bauen können ein paar Hersteller. Überragende Motorräder können nur ganz wenige bauen – wie MV Agusta. Nach vielen Rennsiegen verschwand der legendäre Hersteller MV Agusta von den Rennstrecken dieser Welt. Jahrzehnte war es still geworden um die italienische Bikeschmiede. Mit der F4 meldete sich MV eindrucksvoll zurück. Schön, schnell und unsagbar teuer. 2012 erblickte die kleine Schwester, die MV Agusta F3, das Licht der Öffentlichkeit. Eine Diva wie sie im Buche steht.
MV Augusta F3 im Test – schlechte Kritiken? Völlig unberechtigt!
Dass die Zweitakter die Könige der Straße und der Rennstrecke sind, ist nicht zu diskutieren. 2-Takte sind genug. Aus gutem Grund heißt der Moto GP, Moto GP. 4-Takter, pfui. Selbst Rossi ist nicht überzeugt und weint der guten alten Zweitakt-Zeit hinterher. Wie ich! Nach langer Abstinenz sollte die selbstauferlegte Motorrad-Askese enden. Doch mit welchem Hobel? Der krönende Abschluss meines Motorradlebens war wohl die Königin der Rennstrecke und Straße: Yamahas RD-500. Mehr Rennstrecke mit TÜV-Segen waren einfach nicht möglich. Unfassbare 500 Kubikzentimeter Zweitakt-Power. Mit über 80 PS und einer unbeherrschbaren Leistungsentwicklung, Bremsen die einem die Augäpfel aus den Höhlen fliegen lassen, erlangte sie eine ähnlich traurige Berühmtheit wie die F14 – der Witwenmacher. Eines der ersten onboard-crash Videos mit Todesfolge entstand auf einer RD500. Welcher weichgespülte Japan-Racer sollte also einen erfahrenen Höllen-Piloten wie mich überzeugen? Eine perfekt fahrende R6? Eine etwas ruppige GSX? Vielleicht sogar eine unbezahlbare HP-BMW? Nein, es sollte eine feurige, rote Italienerin werden. Jedoch keine vom großen Namen zehrende Ducati – deren Ziel bei der Entwicklung eine gute Fahrbarkeit mit massentauglicher Optik war.
Italienische Gründlichkeit – Design trifft Rennstrecke – MV F3: Die echte Diva.
Nach einem Besuch beim örtlichen Suzuki-Händler (der wohl aus der Not heraus MV und Aprilia vertreibt (wer will schon eine Suzuki?)), der mit den Worten begann: „Michael, das hier ist Dein Motorrad: Die F3“, war dieses italienische Biest in meinem Kopf. Ein wenig, wie die geile Schnecke in der Disco. Man sieht seine Traumfrau, spricht sie nicht an, kann sie nicht mehr vergessen und ärgert sich sein ganzes restliches Leben lang. Sie war schön. Sitzposition wie auf meiner geliebten RD250 und laut Fachhändler eine echte Rennmaschine, die einem Zweitakter in nichts nachsteht. Explosive Leistungsentwicklung, bissige Bremsen und für kompromisslose Schräglagen-Duelle konstruiert. Sollte dieser optische Leckerbissen DAS Motorrad meiner Träume sein? Naja, Händler heizen ja ihre Verkaufstempel mit viel heißer Luft. Dachte ich!
Das Motorrad fährt scheiße – Deshalb muss ich es kaufen!
Die schreibenden Kollegen der Motorradbranche sind in der Regel 25-30jährige Jungspunde. Sie testen die aktuellen „Rennmaschinen“ auf Herz und Nieren. Die älteren Tester sind Tod, schreiben über Motorradreisen oder haben einen ehrenwerten Beruf, wie PR-Manager, ergriffen. Dementsprechend fehlt es an Erfahrung. Klar sind die Jungs auf der Rennstrecke genauso schnell wie an der Tastatur. Doch wo ist der Kick? Mit Motorrädern, die jeden Fahrfehler verzeihen, mit Fahrwerken, die jede Bodenwelle glatt bügeln und ABS-unterstützten Bremsen, flankiert von Launch-Kontrollen, Trackingkontrollen, Schräglagen-Sensoren und Gott alleine weiß was für einen Schnickschnack, geht es in Rekordzeiten über die Rennpisten dieser Welt. Gähn… Wenn diese Leute plötzlich mit einer echten Rennmaschine konfrontiert werden, erkennen sie das Rennpferd auf dem sie sitzen nicht. Die italienische Stute bockt, schüttelt sich und tritt wild aus. Die Tester sind hoffnungslos überfordert. Schwache Männer haben Angst vor starken Frauen – das ist halt so.
MV Agusta F3 kann alles ein wenig besser
MV hat es geschafft, eine komplette Neuentwicklung in den Olymp der straßenzugelassenen Rennmaschinen zu bringen. Die F3 kann alles besser als die Konkurrenz. Sie sieht besser aus. Die extrem kurz ausgefallene Fahrwerksgeometrie mit dem steilen Lenkwinkel und den überragenden Federelementen, bissige Brembobremsen, Leistungsentwicklung wie bei einer Atombombenexplosion, der Sound, dass Ansauggeräusch und überhaupt. Als begeisterter Sportpilot weiß ich gar nicht, wo ich aufhören soll. Die F3 wirft sich gierig in jede Kurve und giert nach mehr Schräglage. Die mehrstufige Traktionskontrolle kann getrost ausgeschaltet werden. Wer so schnell unterwegs ist, dass ein Motorrad driftet, sollte in der Lage sein, das zu kontrollieren. Leider macht driften nicht schnell, sieht aber geil aus und macht einen irrsinnigen Spaß. In Kombination mit der Sitzposition, bei der man als Pilot in das Motorrad integriert wird und nicht wie bei Fireblade, R6 & Co. oben auf dem Thron sitzt, ermöglicht das spektakuläre Kurvenfahrten. Mehr Gas, mehr Schräglage.
Die MV Agusta trotzt der Physik – Faster than light
Da die Physik ja sowieso außer Kraft gesetzt ist, hat man das Gefühl, es würde endlos weitergehen. Begleitet von einem brüllendem Auspuff, gepaart mit einem Ansauggeräusch, dass einem 5-Liter 8 Zylinder gut stehen würde, tauscht man Blut unbewusst gegen Adrenalin aus. Das Ride-By-Wire hat seine Tücken, es lässt das Gas manchmal ein paar hundertstel Sekunden zu lange offen. Nach einigen Kilometern hat man sich jedoch daran gewöhnt. Ich glaube, ich brauche nicht zu erwähnen, dass die F3 ausschließlich im „S“ wie Sportmodus gefahren wird, oder? Unglaubliches Geruckel im Schiebebetrieb, Leistungsloch im mittleren Drehzahlbereich und ab 10.000 Umdrehungungen ein Leistungsfeuerwerk wie ein Kampfjet mit eingeschalteten Nachbrenner. Trotz der enormen Agilität wirkt die F3 an keiner Stelle nervös. Mit harter Hand geritten, sorgt sie für pfeilschnelle Seitenwechsel im Kurvenduell. Die Diva lässt sich an keiner Stelle großartig bitten. Mit Nachdruck aufs Asphaltbett gedrückt, erlebt man, was es heißt, eine feurige Stute sein Eigen zu nennen. Zugegebenermaßen ist die Diva nichts für Anfänger. Sie zeigt, wie kompromisslos heute ein Motorrad sein kann. Für mich steht fest: So muss ein Rennmotorrad fahren. Die Rufe nach Schaltautomat, Lenkungsdämpfer und Antihoppingkupplung können eigentlich nur von kleinen, bettnässenden Mädchen stammen. MV hat darauf reagiert und in der 800er vieles berücksichtigt. Etwas besser dosierbare Brembo-Monoblock-Bremsen, Antihopping-Kupplung (was immer das auch sein soll) und 20 PS mehr. Das ergibt in der Kombination ein für Weicheier besser zu fahrendes Motorrad. Aber wer will das schon?
Fazit: Die F3 von MV ist der wahr gewordene Männertraum. Eine wilde Bestie, die bereit ist, jedem Samurai das eigene Schwert in die Brust zu stoßen. Wer sich auf die explosionsartige Leistungsentwicklung, die mechanische, rupfende Kupplung, das unglaubliche Vibrieren des Dreizylinders und das infernalische 107 db laute Brüllen einlässt, wird mit einem Fahrerlebnis entlohnt, dass wahrscheinlich nur mit einem Flug, nackt auf der Spitze einer Saturn V-Rakete getoppt werden könnte. Die F3 ist ein echter 1000er Schreck. Sie hat genausoviel Leistung, dass es beherrschbar bleibt. Fahrwerk, Bremsen und Reifen ermöglichen Infights mit den 1000ern, die in der Regel siegreich für die Italienerin ausgehen. Gewonnen werden Rennen auf der Bremse und in der Kurve. Nicht auf der Geraden!
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