E-Bike-Test Grace wie Race – Easy S Red Dot im Test

E-Bikes sind doch für alte Leute? Das ist doch nur was für Rentner! Das ist nix für Sportler! „Schlappi“ und noch viele andere Dinge musste ich mir sagen lassen. Aber: So what…!!! Ein Mann, ein Wort! Dass natürlich nicht irgendein E-Bike in Frage kommt, erklärt sich von selbst. Doch welches sollte es sein? Die Idee, ein E-Bike zu kaufen, geisterte schon lange durch meinen Kopf. Doch welches? Ein Pedelec oder doch ein S-Pedelec? Das Specialized Turbo S? Zu teuer! Das Einzige, was klar war: kein Mountainbike. Ein Bike für den Weg zur Arbeit und mal pfeilschnell in die Nachbarstadt zu düsen. Das ganze sollte möglichst stylisch und maximal reduziert sein. Licht und Schutzblech wären cool, aber nicht unbedingt nötig. Gepäckträger? Mhmm, vielleicht.

Grace Easy S Red Dot – Liebe auf den ersten Blick

Grau, sportlich flach und schlicht. Das Grace Easy S Red Dot. Bähhhhm!!! Thats it!!! Ein S-Pedelec vom „Allerfeinstem“ Fetter Bionix Hinterradmotor, kaum sichtbarer Akku, Scheibenbremsen. Wenn die Unterstützung auf Stufe eins gestellt wird, fühlt es sich wie ein leichter Rückenwind an. Man gleitet mit circa 25 km/h durch den Verkehr und muss noch ordentlich in die Pedale treten, um vom Fleck zu kommen. An der Ampel fährt das Grace gemächlich an. Hier entscheidet ganz klar die Muskelkraft, wer den Ampelsprint für sich entscheidet. Mit Unterstützung Stufe 1 sind fast 90 Kilometer Reichweite möglich. Die Hälfte davon mit Licht. Die moderate Unterstützung gleicht das Mehrgewicht gegenüber einem normalen Rad aus und legt eine kleine „Schüppe“ extra drauf. Zügig, aber nicht schnell, ist die Quintessenz.

S-Pedelec von Grace im Test: Reichweite contra Unterstützung

Mit der Stufe zwei des elektrischen Beifahrers geht es schon deutlich rasanter zur Sache. Von der Ampel geht es mit kurzer Denkpause furios los. Mit einigen beherzten Pedaltritten zeigt der Bordcomputer gepflegte 30 km/h an. Dabei hat man nicht das Gefühl, man müsste sich anstrengen. Locker flockig zieht das Grace los. Im Feierabendverkehr macht es allerdings einen etwas nervösen Eindruck. Vom gemächlichen durch den Verkehr gleiten, ist schon nicht mehr die Rede. Den meisten Autofahrern begegnet man auf Augenhöhe. Da der Verkehrsplaner in Moers scheinbar ein echter Verfechter des „Back to the roots“-Mottos ist, hat er jedweden Verkehrsfluss zum Erliegen gebracht. Mit dem Rad ist man in der Regel wesentlich schneller in der Innenstadt unterwegs. Leider zieht das auch den Hass der motorisierten Idioten an. Krieg ist angesagt und das Grace stellt einen Schritt in Richtung Sieg dar. Leider ist bei der zweiten Leistungsstufe nach knappen 35 Kilometern Schluss und das Grace verwandelt sich vom hochmotivierten Rennpferd in ein gemächlich trabendes Brauereipferd.

E-Bike: Alle guten Dinge sind drei

Auf Stufe drei hat man immer das Gefühl, einen Arm in die Luft zu reißen und ein exorbitant lautes „YIIIIIIIHHHAAAAAAHHHH“ zu schmettern. Wie ein wildgewordener Hengst schießt das Easy S nach vorne. Ohne Rücksicht auf Verluste werden die Elektronen aus dem im Rahmen integrierten Akku in Vortrieb umgesetzt. Bedauerlicherweise immer mit einer kleineren Verzögerung. Je stärker der gewählte Unterstützungsmodus ist, umso stärker fällt das auf. Nach dieser kurzen Gedenksekunde geht es rund. Es bleibt kaum genug Zeit, den nächsten Gang einzulegen. Gefühlt ist man mit zwei Tritten auf 35 km/h. Dummerweise kapieren das die meisten Autofahrer nicht. Man ist permanent damit beschäftigt, den größtenteils übergewichtigen Vertretern der unsportlichen Art auszuweichen. Wehe dem, der die Rekuperationseinstellung unterschätzt. Mit Betätigen der vorderen Scheibenbremse wechselt der Motor in den Generator-Modus. Bereits ab Rekuperationsstufe 4 kommt es zu dem einen oder anderen ungewollten Slide. Zusätzlich macht sich das enorme Gewicht des Hinterrads bemerkbar. So lässt sich das Grace nur unwillig wieder unter Kontrolle bringen. Ungeübte Biker sollten in jedem Fall eine geringere Rekuperationsstufe einstellen. Dadurch wird das unkontrollierte Ausbrechen des Hinterrades verhindert.

Einer geht noch – Warp 4 – E-Bike auf Ecstasy

Energie! Nach dem bereits beeindruckenden Vortrieb auf Stufe drei, kann das Grace mit der Steigerung von schnell aufwarten: Lichtgeschwindigkeit ist definitiv möglich. Mit einigen beherzten Kurbelumdrehungen sprintet das Grace mit 40 km/h direkt ins Verkehrsgetümmel. Sieg bei jedem Ampelstart ist das Motto. Wer richtig unfair sein möchte, benutzt einfach die Beschleunigungstaste. Ein Druck auf den Knopf und das Easy S sprintet mit Vollgas los. Pedalunterstützung ist hier nicht gefragt. Mit der maximalen Unterstützung ist dann jedweder sportlicher Gedanke verflogen. Im Prinzip ist hier nur gemütliches mittreten gefragt. Schwitzen? Fehlanzeige. Dann kommt die Erkenntnis: Mehr treten, mehr Speed! 45 km/h ist gar kein Problem. Allerdings ist das in der Stadt kaum noch vernünftig zu fahren. Schneller als jedes Auto, versucht man möglichst ohne Geschwindigkeitsverlust durch das Verkehrsgedränge zu kommen. Leider sehen das die Autofahrer gar nicht gerne. Immer wieder wird man an die Bordsteinkante gedrängt, während sich die Wut auf die meist übergewichtigen Vertreter der menschlichen Rasse ins Unermessliche steigert. Hier hilft nur eins: Kühlen Kopf bewahren. In den Links-Modus wechseln und seinem Ruf als rüpelhafter Radrowdy gerecht werden. So geht es: in die linke Spur, mit grimmigem Blick den Gegenverkehr in die Knie zwingen und an der Ampel getrost links einordnen und die zweite Garnitur des Menschseins beim Ampelstart in die Knie zwingen.

Fazit: Optisch ist das Grace Easy S „Red Dot“ ein echter Hingucker. Im Landser-Grau ist das S-Pedelec ein echter Undertaker. Der im Rahmen integrierte Akku lässt auf den ersten Blick gar kein potentes E-Bike vermuten. Die Bremsen verrichten auf trockener Fahrbahn ordentlich ihren Dienst. Bei Regen nervt die mangelhafte Bremsleistung und das Quietschen. Wenn die Rekuperation auf Stufe 3 geregelt wurde, ist Vorsicht auf nasser Fahrbahn geboten. Da die Energierückgewinnung an die Vorderbremse gekoppelt ist, wird bei einem scharfen Bremsmanöver die Kontrollierbarkeit zum Glücksspiel. Durch die Entlastung des Hinterrades und die gleichzeitig einsetzende Verzögerung des Hinterrades neigt es zum Blockieren. Wehe dem, der nicht darauf gefasst ist. Nervig ist auch das permanente Gerassel im Antriebsstrang. Die in der Narbe integrierte Schaltung hört sich im dritten Gang an, als wäre ein ganzes Kartenspiel in die Speichen gesteckt worden. Sitzposition und Fahrverhalten kann durch die Bank als „sportlich ambitioniert“ bezeichnet werden. Hier gibt es nichts zu meckern. Das Entnehmen des Akkus ist etwas fummelig geraten und ein Tragegriff an selbigen fehlt leider auch. Aufgeladen werden kann der Akku am Bike oder separat. Die Ladezeit beträgt circa drei Stunden. Völlig in Ordnung für ein Urban-Bike. Wer nachhaltig von allen Autofahrern gehasst werden möchte, ist mit dem Grace Easy S Red Dot ebenfalls ganz weit vorne. Nie war mir die Grenze zwischen Zweirad- und Autowelt so bewusst, wie mit dem Grace. Es gibt im Straßenverkehr keine Freunde, nur Feinde!